Post-digitale Strategien und ein neuer Materialismus 

 
Im Festivalzeitraum von 16. Oktober bis 02. November werden Themen rund um die allgegenwärtige Digitalisierung, wie auch neue Formen einer offenen Gesellschaft und offener Wirtschaftsmodelle erörtert. In Workshops und Vorträgen werden in diesem Jahr folgende Fragen behandelt wie: Welche postdigitalen Strategien braucht eine offene Gesellschaft? Schaffen Initiativen wie Upcycling, Repair it, FabLabs einen neuen Materialismus? Oder braucht Wirtschaft, Politik und Gesellschaft neue Modelle und soziale Innovationen, um auf kommende Probleme besser zu reagieren? Berücksichtigt werden aktuelle Positionen und Fragestellungen der kritischen Theorie in Bezug auf die Auseinandersetzung von Gesellschaft und Technik, Umweltzerstörung, Entfremdung und gesellschaftlichen Ungleichheiten.

Das ViennaOpen Festival ist das einzige Festival in Europa, das an der Schnittstelle zwischen Kunst, Design, Kultur und Gesellschaft mit einem Fokus auf offene Innovationsprozesse arbeitet. Waren es 2013 Aspekte von neuen Wirtschaftsmodellen und Gemeinschaften, die im Sinne der „Shared Economy“ beleuchtet wurden, so liegt 2014 der Schwerpunkt auf dem Thema „Postdigitale Strategien in einer offenen Gesellschaft“. Um diese Themen einer breiten Öffentlichkeit näher zu bringen und um neue Akzente in der Community und der Stadt zu setzen, werden in Vorträgen und Workshops praktische und angewandte Beispiele erarbeitet und diskutiert.

Kooperationen und das Wiener Modell von Open Design

In den letzten Jahren war ViennaOpen eine reine Eigenproduktion des Verlags Neue Arbeit. Um ein weiteres Feld von Multiplikatoren und Bündnispartner anzusprechen wurden 2014 zum ersten Mal für das ViennaOpen Festival breitere Kooperationen mit verschiedensten Partnern eingegangen.

Für das Thema Open Design und offene Stadtplanung, sowie Architektur wurde mit der TU Wien/Mobiles Stadtlabor und dem Paradocks verschiedenste Vorträge und Workshops erarbeitet. Die reichhaltigen Szenen rund um Themen wie “Upcycling”, “Maker Movement”, “Offene Kooperation”, “Shared Economies”, „FabLabs“, … sind in der Programmentwicklung, gemeinsam mit Maker Austria, MA48, Happy Lab und anderen erarbeitet worden. Mit internationalen Kooperationspartnern und „Good Practice“ Beispielen gehen wir davon aus, auch heuer wieder einen nachhaltigen Beitrag zur Weiterentwicklung des im europäischen Raum als einzigartig angesehene “Wiener Modells” zur Umsetzung von Open Design Strategien zu leisten.

Das Wiener Modell von Open Design beschränkt sich nicht nur auf offene Gestaltungsprozesse und Design selbst, sondern beleuchtet auch angrenzende gesellschaftliche Felder wie in der Kultur- und Kreativwirtschaft. Darüber hinaus versucht ViennaOpen auch Projekte und Kollaborationen zu fördern, die für offene und kollektive Lösungen stehen, um diese einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

ViennaOpen 2014 – das Programm

Der Begriff des Postdigitalen beschreibt eine Gesellschaft, die von elektronischen und digitalen Prozessen durchdrungen ist. Digitalität ist allgegenwärtig und hat die Produktion von Gütern, unsere sozio-ökonomische Lebenswelten und unser Kommunikationsverhalten nachhaltig verändert. Wie verhält sich daher eine Gesellschaft in der alle Lebensaspekte digital abgebildet werden? Durch die Digitalisierung kann unser Konsum und unser Verhalten durch Maschinen gelesen, verarbeitet und interpretiert werden. Diese maschinenlesbare Codierung unserer Lebenswelt hilft nicht nur Google uns bessere Suchergebnisse anzubieten, sondern ermöglicht Amazon auch andere vergleichbare Lesegewohnheiten als Kaufvorschlag zu offerieren. Nicht nur die großen globalen E-Commerce Anbieter verwenden Big Data, um über Userprofiling die Gewinnmaximierung zu steigern, sondern auch Geheimdienste überwachen unser tägliches Verhalten um Muster und Anomalien zu erkennen.

Postdigitale Strategien

Digitalität ist zum Alltag von uns allen geworden und deshalb stützt sich unser Interesse diesmal auf Strategien und Taktiken, die eine Antwort auf Volldigitalisierung und Überwachung bieten. Gezeigt werden Projekte, Ideen und Ansätze, die eine neue Selbstbestimmung von Konsumenten und Produzenten im Sinne eines Öffnungsprozesses fördern. In diesem Zusammenhang sind Dimensionen einer offenen Gesellschaft und deren Reglementierungen von kulturellen Entwicklungen von zentraler Bedeutung, weil durch offenes Gestalten Verständnisebenen von komplexen Produktions-, Distributions- und Verbrauchszusammenhängen transparenter und somit entmonopolisiert werden. Damit werden Mitbestimmungsmöglichkeiten und Teilhabensmomente geschaffen, die gemeinsam ein stärkeres Bewusstsein für Konsumations-, Entscheidungs- und Entwicklungsregeln schaffen.

Gerade in diesem Zusammenhang ist es wichtig an einem kritischen Bewusstsein für globale Entwicklungsdynamiken zu arbeiten. ViennaOpen 2014 hat sich aus diesem Grund für eine angewandte Reflexion der kritischen Theorie entschieden, die sowohl der systemkritischen als auch selbstkritischen Herangehensweise Raum geben.

Kritikfähigkeit setzt einen Informationsstand voraus, der in vielerlei Hinsicht einen hohen Grad an Komplexität innewohnt. Durch praxis- und schaffensorientierte Ansätze versuchen wir deshalb insbesondere einen Überblick zu einem „Neuen Materialismus“ zu geben, dessen Bewusstsein sich aus einem sinnvollen Umgang mit Ressourcen und ökonomischen Handeln speist.

Ein neuer Materialismus

Aktuelle Phänomene wie Upcycling, gemeinsames Wirtschaften in Shared Economies, soziales Unternehmertum,  FabLabs oder Future Factories sind aus unserer Sicht keine kurzfristigen Modeerscheinungen, sondern Ausdruck eines grundlegenden Bedürfnisses der Selbstermächtigung einer breiten gesellschaftlichen Bewegung. Da es sich nicht um ein einheitliches Meinungsfeld und eine historisch ausdifferenzierte Entwicklungen handelt, müssen diese neuen Taktiken erst diskutiert und einer Positionsbestimmung unterzogen werden.

Die Beziehung der Menschen wird in allen Gesellschaften durch den Austausch von Informationen, Produkten und Dienstleistungen bestimmt. Die Art und Weise wie wir diese materiellen und immateriellen Güter tauschen, verhandeln und verteilen, ist Ausdruck unserer gesellschaftlichen Ordnung und bringt aktuelle Probleme zum Vorschein.

Diese Sichtweise stellt einen neuen Materialismus im Umgang mit unseren täglichen Produkten, Waren und Gütern dar. Die ressourcenschonende Fertigung und Entwicklung von resillienten Produkten (FairMeter) und die transparente Erzeugung von elektronischen Geräten, wie dem FairPhone, aber auch der „Hacktivism“ von „I fix-It“ gegen die geplante Obsolesenz von Mobiltelefonen und Computern in der „illegalen“ Veröffentlichung von Reparaturhandbüchern, zeigen globale Strategien und taktische Handlungsanweisungen. In urbanen und lokalen Ballungsräumen bilden FabLabs, Future Factories oder Netzwerke wie 3D-Hubs eine ansprechende Alternative zu herkömmlichen Produktions- und Wertschöpfungsketten. Diese alternativen Wertschöpfungssysteme bringen die Produktion wieder auf „Sichtweite“ zu Makern und Konsumenten, bzw. bringen einen Teil der Wertschöpfung wieder auf lokale regionale Gebiete zurück.

Durch die Analyse und Behandlung von gesellschaftlichen Themen möchte das ViennaOpen Festival, Impulse und Denkanstöße für aktuelle und kommende Probleme in Kunst, Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft geben.

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